In der Morgenpost
Fußgänger stehen ratlos vor der Rathausbrücke
Donnerstag, 18. Juni 2009 09:58
Seit Dienstag ist die Verbindung zwischen dem Nikolaiviertel und dem zukünftigen Schlossareal quasi ohne Vorwarnung gekappt. Zwar hatte es im Vorfeld vage Ankündigungen zum Beginn der Sperrung gegeben, doch der genaue Zeitpunkt wurde vom zuständigen Bauamt nicht genannt.
Foto: Marion Hunger
Studentin Janina steht ratlos an der Rathausbrücke. Hier gibt es plötzlich kein Durchkommen mehr
Für Kopfschütteln, Unmut und Riesenärger bei Fußgängern und Radfahrern sorgt die plötzliche Sperrung der Rathausbrücke in Mitte. Seit Dienstag ist die Verbindung zwischen dem Nikolaiviertel und dem zukünftigen Schlossareal quasi ohne Vorwarnung gekappt. Zwar hatte es im Vorfeld vage Ankündigungen zum Beginn der Sperrung gegeben, doch der genaue Zeitpunkt wurde vom zuständigen Bauamt nicht genannt. Die vielen Passanten ärgert besonders, dass weit und breit kein Schild auf die neue Verkehrssituation hinweist, während für Autofahrer rechtzeitig und mehrmals das Zeichen für Sackgasse aufgestellt ist.
„Das ist unglaublich“, schimpft Doris B. (25), die mit ihrem Kinderwagen vor dem Gitterzaun halten musste. „Ich komme von der Wilhelmstraße und wollte zum Kinderarzt ins Nikolaiviertel.“ Ihr blieb nur der große Umweg über die Schloßplatz-Baustelle und die Karl-Liebknecht-Straße. „Besonders ärgerlich, weil ich jetzt natürlich den Arzttermin nicht einhalten kann.“ Weshalb die Vollsperrung ohne Vorwarnung blieb, konnte von der zuständigen Senatsabteilung für Stadtentwicklung nicht erklärt werden. Dabei hatte die Verwaltung noch im April verkündet: „Für Fußgänger und Radfahrer wird die Rathausstraße… zugänglich sein. Ein provisorischer Fußgängerübergang stellt sicher, dass die Spreeuferpromenade und das angrenzende Nikolaiviertel auch während der Bauzeit erreicht werden können.“
Als besonders lachhaft empfanden die zahllosen Betroffenen ein kleines weißes Schildchen mit der Aufschrift: „Rathausbrücke gesperrt“ und „Fußgänger“ mit einem Pfeil, der geradewegs in den Hof der Hochschule für Musik Hanns Eisler am Schloßplatz 7 führt.
Eine Behelfsbrücke für Fußgänger und Radfahrer wird es nicht geben. „Wir haben das im Vorfeld erwogen, aber dann aus wirtschaftlichen und technischen Gründen verworfen“, sagt Lutz Adam, Bereichsleiter bei der Senatsverwaltung. Für eine provisorische Spreebrücke hätte man sehr lange Rampen anlegen müssen, um sie für Rollstuhlfahrer benutzbar zu machen. So ist die Überquerung der Spree an dieser Stelle frühestens Ende kommenden Jahres oder Anfang 2011 wieder möglich. Die neue Rathausbrücke aus Stahlträgern und Betondecke soll im Sommer 2011 fertiggestellt sein. In der kommenden Woche beginnt der Abriss des alten Bauwerks.
Für die Geschäftsleute in der Nähe beginnt eine schwierige Zeit. „Die Touristen und die Laufkundschaft bleiben weg“, sagt Ilona Kühn, Inhaberin der „Klöppelstube“ an der Rathausstraße 21. „Die Leute, die auf dem Weg zum Außenministerium oder zur Hochschule im Staatsratsgebäude vorbeikamen, nehmen jetzt einen anderen Weg. Und wer schlendert schon gern an Läden vorbei, die an einer Baustelle liegen?“ Doch die Geschäftsfrau gibt nicht auf. Um Stammkunden zu halten, bietet sie Schauklöppeln, Kurse und Modenschauen an (www.kloeppeln-berlin.de).
Um den Bau der alten Kurfürstenbrücke anstelle der provisorischen Rathausbrücke aus DDR-Zeiten am Humboldt-Forum hatte es einen langen Kampf gegeben. Bürgervereine sowie die Gesellschaft Historisches Berlin wollten eine Rekonstruktion der alten Schlossbrücke erreichen. Doch sowohl Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer als auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) zeigten keinen Einlenkungswillen. Sie beharrten auf dem Neubau einer schlichten Brücke an dieser Stelle.
Doch schon dabei hatten sich die Behörden nicht mit Ruhm bekleckert, denn innerhalb weniger Monate waren die Kosten um mehr als die Hälfte gestiegen. Sollte die Brücke ursprünglich sechs Millionen Euro kosten, sollen es jetzt 9,3 Millionen werden zuzüglich weiterer Kosten von einer Million Euro wegen integrierter Telefon- und Stromleitungen, so die Auskunft der Senatsverwaltung.