... wollen historische Brücke zurück
Der Senat plant den Abriss und modernen Neubau der Rathausbrücke - dagegen formiert sich immer breiterer Widerstand
Mitte. Wer heute über die Rathausbrücke geht, wird an ihr nichts besonderes finden. Sie stellt eine Behelfsbrücke aus dem Beginn der 50er Jahre dar. Im Herbst nun will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die marode Verbindung zwischen Nikolai viertel und Schlossplatz abreißen und durch eine Neue ersetzen lassen.
Da mag es etwas befremdlich erscheinen, dass am vergangenen Donnerstag Anwohner und Gewerbetreibende in Person des Geschäftsmannes Martin Boettcher im Abgeordnetenhaus einen Protestbrief an Senatorin Ingeborg Junge-Reyer überreicht haben. Auch die Gesellschaft Historisches Berlin (GHB) will verhindern, dass der 1999 prämierte Entwurf des Architekten Walter A. Noebel umgesetzt wird. Im Dezember hat die GHB ein Volksbegehren gegen die Pläne des Senats gestartet. „Kaum einer weiß heute noch, dass die Rathausbrücke, die früher Lange Brücke hieß, einst als schönste Brücke der Stadt galt", sagt die GHB-Vorsitzende Annette Ahme. „Historisch und kunstgeschichtlich ist sie sogar vergleichbar mit der Karlsbrücke in Prag." Denn die Lange Brücke - erbaut im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts - war die erste Steinbrücke nicht nur Berlins, sondern der gesamten Mark Brandenburg.
Auch Petra Müller, Stadtführerin und Bewohnerin des Nikolaiviertels hat recherchiert: 1701, kurz nachdem er sich im fernen Königsberg selbst gekrönt hatte, ritt Friedrich I. nun als erster König von Preußen über die Lange Brücke zum Schloss. Es war ein Triumphzug. Und schon damals
ritt er an dem kunsthistorisch bedeutendsten Reiterstandbild nördlich der Alpen vorbei: an einer Bronze vom Großen Kurfürsten, die die Lange Brücke zierte. Der frisch gebackene König hatte das Standbild 1697 selbst in Auftrag gegeben, um seinen Vater zu ehren. Entworfen hat es Andreas Schlüter, der später auch den nach ihm benannten Schlüterhof im Schloss errichten ließ. 1884-96, also 200 Jahre später wurde die Lange Brücke zwar noch einmal umgebaut, hat aber ihr Aussehen behalten.
Während die Brücke im Krieg zerstört wurde, konnte das Reiterstandbild aus der Spree geborgen werden. Heute steht es im Schlosshof von Charlottenburg. „Eine moderne Brücke wie die von Walter Noebel würde das historische Gesamtbild mit zukünftigem Schloss, Berliner Dom, Nikolaiviertel und der ältesten Kirche Berlins unverzeihlich stören", argumentiert Petra Müller.
Die CDU hat nun einen Antrag im Abgeordnetenhaus eingereicht, um das alte Bauwerk samt Reiterbild wieder herzustellen. Auch einige Abgeordnete der SPD sind inzwischen für die historische Variante. Allerdings steht das Thema erst nach der Sommerpause auf der Tagesordnung des Berliner Parlaments. Die GHB will darum das Volksbegehren nicht weiter vorantreiben und konzentriert sich nun auf die parlamentarische Diskussion.
Immerhin ist es noch nicht zu spät. Die europaweite Ausschreibung steht noch aus, historische Bauzeichnungen sind noch vorhanden. Doch soll die neue Brücke - egal ob historisch oder modern - auf alle Fälle dem Schifffahrtsverkehr auf der Spree gerecht werden und keine Fundamente im Wasser erhalten. Das würde aber bedeuten, dass aus statischen Gründen auf das Reiterstandbild verzichtet werden müsste.
Petra Müller sieht das anders: „Der Umbau von 1894 bis 1896 mit seinen drei Bögen wurde den aktuellen Erfordernissen des Personen- und Gütertransports zu Wasser durchaus gerecht. Sie bot schon damals zahlreichen Schiffen Durchlass."
...schreibt dvs im Berliner Abendblatt am 18.6.2008
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